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Unterirdische Schätze im Carlsbad Caverns National Park

Dienstag, 24. Januar 2006 − Da wir den ganzen Tag Zeit haben, beschliessen wir die Haupthöhle, den sogenannten Big Room, vom natürlichen Eingang aus anzugehen. Anstatt mit dem Lift in die Tiefe zu fahren, steigen wir zu Fuss 230 m in das Erdinnere hinab. Anfangs führt der Weg in Spitzkehren zur Bat Cave. Die Fledermaushöhle ist für das Publikum geschlossen und nur für Forscher zugänglich. Sie ist die Sommerresidenz von hunderttausenden von Fledermäusen, die hier ihre Jungen grossziehen. Tagsüber hängen sie dicht gedrängt an der Decke der Höhle. Bei Einbruch der Dunkelheit verlassen sie sie in grossen Schwärmen, um draussen nach Nahrung zu suchen. Dieses Schauspiel kann vom Amphitheater beim Höhleneingang aus beobachtet werden. Da die Fledermäuse den Winter in Mexiko verbringen, kommen wir leider nicht in den Genuss dieses Spektaktels.

Fledermäuse jagen und navigieren mittels Echoortung. Dazu stossen sie während des Flugs kurze Schreie im Ultraschallbereich (für den Menschen nicht hörbar) aus. Wenn eine solche Schallwelle nun auf ein Objekt trifft, wird ein Echo zur Fledermaus zurückgeworfen. Aus der Laufzeit und Frequenz der Echowelle kann die Fledermaus Entfernung, Richtung und Art des Objekts ermitteln. Je nachdem ob es sich nun um ein leckeres Insekt oder einen Ast handelt, wird die Fledermaus unterschiedlich agieren. Das Insekt wird sie milimetergenau ansteuern und erbeuten, den Ast trotz Dunkelheit geschickt umgehen. Fledermäuse sind übrigens nicht die einzigen Lebewesen, die Echoortung praktizieren. Auch Wale, Delfine und einige blinde Menschen (mittels Klickgeräuschen mit der Zunge) nutzen diese Technik.

Auf dem Weg in den Big Room kommen wir entlang des Main Corridor (Hauptkorridor) bereits an ersten Tropfsteinformationen vorbei. Im Big Room, der Haupthöhle, häufen sich die Vorkommnisse von Stalaktiten, Stalagmiten und Stalagnaten in den unterschiedlichsten Grössen und Formen. Von Stalaktiten redet man, wenn die Tropfsteine von der Decke herunterhängen. Stalagmiten sind jene, die vom Boden emporwachsen und mit Stalagnaten bezeichnet man Säulen die durchgehend sind.

 

Steter Tropfen... − Im Gegensatz zu gestern, haben wir heute das Stativ dabei und können trotz spärlichen Lichtverhältnissen fotografieren. Die zum Teil sehr filigranen Gebilde sind faszinierend. Ihre Entstehung begann vor mehr als 500’000 Jahren und der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Wassertropf um Wassertropf bilden sich immer neue Figuren.

Nicht minder interessant ist auch ein Bericht in der Parkzeitung, welcher das Geschehen hinter den Kulissen erläutert. So erfährt man zum Beispiel das für die Beleuchtung der Höhle über 30 Kilometer Kabel und 1200 Glühbirnen verwendet werden. Es werden ausschliesslich weisse Glühbirnen (in 11 Helligkeitsstufen) eingesetzt. Trotzdem weisen die Tropfsteinformationen unterschiedliche Farbtöne auf (weiss, gelb, grün, rot).

Am Ende des Rundgangs lassen wir uns mit dem Lift wieder an die Erdoberfläche befördern. Obwohl der Park auch hier einiges zu bieten hat (Wüsten- und Gebirgslandschaften), begnügen wir uns mit den Höhlen. Das andere haben wir in den letzten Monaten schon oft genug gesehen.

 

Alte Bekannte − In Nanuq verlassen wir den Park. An der nächsten Kreuzung ertönt hinter uns plötzlich lautes Hupen. Was für ein Zufall!! Es sind Hannelore und Ray. Wir haben die beiden vor 7 Monaten in Skagway, Alaska, kennen gelernt. Hannelore kommt ursprünglich aus Deutschland (wie man deutlich hört ;-), Ray ist Amerikaner. Vor einiger Zeit haben sie ihr Haus in Kalifornien verkauft und sind losgezogen. Seither durchqueren sie in ihrem Auto mit angehängtem Wohnwagen das Land. Wir sind uns in vielerlei Hinsicht ähnlich. Denoch gibt es einen beträchtlichen Unterschied. Sie haben in der gleichen Zeitspanne etwa doppelt so viele Kilometer zurücklegt wie wir. Umso grösser der Zufall, dass wir uns hier wieder treffen. Wir hatten zwar gelegentlich Kontakt per E-Mail, wussten aber nicht, wo sie sich momentan aufhalten.

Zusammen beschliessen wir zum etwa 55 km weit entfernten Guadalupe Mountains National Park zu fahren, wo wir gemütlich campieren können. Eigentlich sind wir gestern aus dieser Richtung gekommen, aber für einen Abend mit Ray und Hannelore nehmen wir den Umweg gerne auf uns.

Wir haben uns viel zu erzählen und Ray zeigt uns auf seinem geliebten Apple Laptop Fotos von unterwegs. Hannelore bereitet derweil einen leckeren Salat und Fleischbällchen zu. Ray hat auch während des Essens seinen Laptop immer griffbereit, um bei allfälligen Fragen zu x-beliebigem Thema sofort im WorldWideWeb nachforschen zu können. Er hat als Privatdetektiv den richtigen Beruf gewählt.

Rundum glücklich ziehen wir uns zu später Stunde in unser Auto zurück. Nachts hören wir den Regen auf unser Dach prasseln. Hoffentlich bleiben Hannelore und Ray trocken. Sie haben nämlich ein Loch im Dach ihres Anhängers. Am nächsten Morgen fahren wir Nanuq so an den Wohnwagen heran, dass Ray von unserem Dachträger aus, die undichte Stelle flicken kann.

 

Abenteurer − Zum Frühstück sind wir wieder im Wohnwagen eingeladen. Als kleine Geste bringen wir Cornflakes, Müesli und Milch selber mit. Als wir gemütlich beisammen hocken, bekommen wir Besuch von einem älteren Mann aus Minnesota, der mit seiner Frau ebenfalls hier campiert. Er erzählt uns, dass er ein Leben lang seinen Staat nie verlassen hat. Als er pensioniert wurde, hat er sich das Wohnmobil angeschafft und ist losgefahren. And there he is… Wir bewundern seinen Mut, in diesem Alter etwas total Neues anzufangen und ins Ungewisse aufzubrechen.

Auch wir brechen wieder auf ins Ungewisse. Wir verabschieden uns von Hannelore und Ray. Wer weiss, wo wir sie das nächste Mal treffen? Wir fahren nach Süden zur I-10. Dieser folgen wir anschliessend bis Junction. Am Ende des Tages haben wir in «Ray-und-Hannelore-Manier» halb Texas durchquert und ca. 600 Kilometer zurückgelegt. Links und rechts der Strasse gab’s Einöde ohne Ende oder wie es wohl Yukon Doug’s Vater ausdrücken würde «viel überflüssiges Land».